Werkstatt für Theater
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Notizen aus dem Regiewerktagebuch von Livio Andreina

eins
Ich kenne den Gotthard und die Schöllenen seit meiner Kindheit, mindestens zweimal im Jahr bin ich mit dem Zug nach Italien gereist und habe dort meine Grossmutter besucht. Die Reise durch den Gotthard war ein Abenteuer, und ich erlebte intensiv, dass nach dem Tunnel alles anders war, dort war plötzlich Sonne, Wärme, dort war „ ... das Land wo die Zitronen blüh’n“.
Nun arbeite ich in Andermatt, ganz nah an dieser seltsamen Grenze, und das Lebensgefühl, das ich als Kind hatte, ist Thema eines Theaterstückes geworden.
Die Sage von der Teufelsbrücke erzählt von dem Wunsch nach einem besseren Leben, von den ängsten, die mit dem Fortschritt verbunden sind, von der Gier nach mehr, die eine ganze Talschaft dazu führt, den Pakt mit dem Teufel zu schliessen. Ein fantastischer Stoff, ein Stoff, der alle etwas angeht, ein echter Theaterstoff, den ich unbedingt auf die Bühne bringen will. Aber wie entsteht daraus ein Theaterstück? Oder gar ein Freilichtspiel?

zwei
Zuerst braucht es eine Idee, und die habe ich mit Gisela Widmer und Anna Maria Glaudemans gefunden, zwei wunderbare Frauen, die wissen, was ein Freilichtspiel ist. Wir arbeiten schon lange zusammen und haben dabei eine gemeinsame künstlerische Sprache gefunden. So konnte ich bei der Entstehung des Stückes Einfluss nehmen: Welche Figuren treten auf, wie erscheint der Teufel, wo baut er die Brücke, welche Bildsprache eignet sich für das Thema, in welcher Zeit spielt das Stück?

drei
Dann braucht es das Wort, die Sprache, das Stück. Gisela hat es geschrieben und all die Gedanken, all die Ideen in eine unmittelbare, lebensnahe, poetische Spielfassung gegossen, für mich eine fantastische Grundlage zum Inszenieren – ein „gutes Stück“ eben. Wir haben uns für eine Szenenfolge in fünfzehn Bildern entschieden, einen Reigen, der von heute bis zurück in eine „Zeit vor der Brücke“ reicht, der durch die menschlichen Abgründe, durch Sagenwelten und Magie führt.

vier
Die Sage der Teufelsbrücke ist eine kurze Geschichte, die schnell erzählt ist. In meiner Inszenierung wird sie von der Theatergesellschaft nach dem Konzert der Feldmusik gegeben. Ich wollte jedoch nicht einfach die Geschichte nacherzählen. Beim näheren Hinschauen haben wir in der Sage Lücken und Ausgelassenes entdeckt. Das hat mich interessiert, etwa, wie es überhaupt zum Handel mit dem Teufel kam, wer dafür war, wer dagegen oder wer als erster über die Brücke hätte gehen müssen und was die Sage mit uns zu tun hat. Und natürlich wollte ich eine Liebesgeschichte inszenieren.

fünf
Das Theaterstück „Tyyfelsbrigg“ ist eine Partitur. Das Leben jedoch muss von aussen kommen, von den Mitwirkenden vor und hinter der Bühne, sie müssen das Stück zu ihrer eigenen Sache machen. Ich bin stets wieder erstaunt, was es braucht, damit irgendwann im Spielverlauf etwa der Gemeindepräsident den Satz „De sell dr Tyyfel ä Brigg buä!“ aussprechen kann: Der Lichtdesigner beleuchtet ihn, die Ausstatterin kleidet ihn ein, die Bühnenbauer geben ihm einen Boden, er muss am richtigen Ort im Bühnenraum stehen, der Tonmeister stellt das Mikrophon exakt ein, alle Mitspieler und Mitspielerinnen unterstützen ihn genau in diesem Augenblick mit ihren Figuren, die Gesten und Sprachnuancen müssen exakt wiedergeben, in welcher Verfassung er ist, der Musiker spielt im richtigen Moment den entsprechenden Klang ...
Und nicht zuletzt: Da steht eine Tribüne für den Zuschauer, der diesen Moment erlebt und ohne den es kein Theater gibt. „Tyyfelsbrigg“ hat Tausende solcher Momente, die alle geprobt und gemeinsam erarbeitet werden müssen.

sechs
Ich inszeniere das Stück vor einer steil aufragenden Felswand. Es ist eine archaische Kraft, die von dieser Wand ausgeht, sie ist gewaltig und erinnert an die Macht der Natur in der Schöllenen. Da gibt es nichts Liebliches, Sanftes. Für die Sagengestalten und die urchigen Figuren ist das Abgründige dieser Landschaft genau die richtige Umgebung.

sieben
Ein wichtiges Element der Inszenierung ist die Musik. Ich freue mich, dass ich Bruno Amstad für diese Aufgabe gewinnen konnte. Er kann mit seiner Stimme und seinen Instrumenten genau die gewaltigen Klänge und zarten Melodien erschaffen, die ich mir vorstelle, um das szenische Bild entsprechend zu bereichern und die Aussage zu verstärken.
Der Bühnenraum ist riesig. Die Bewegungen der Spielerinnen und Spieler müssen ihn füllen, und der gestische Tanz der verschiedenen Sagen- und Naturwesen müssen differenziert und kräftig sein. Für diese choreographische Arbeit konnte ich Lukas Schmocker begeistern, einen geübten Kampfchoreographen, der grosse Gruppen geschickt in Bewegung bringen kann.
Für die vielschichtige Rolle des Teufel wollte ich einen professionellen Schauspieler: Manuel Kühne, der mit seinem Ostschweizer Dialekt – im Urschnertal eine „Fremdsprache“ – in das gehütete Hiesige der Dorfgemeinschaft eindringt.
Was mich aber am meisten freut: Ich habe ein wunderbares, begeistertes Ensemble, hervorragende Schauspieler und Schauspielerinnen, die der künstlerischen Herausforderung gewachsen sind. Seit November proben wir. An vielen Abenden. An Wochenenden. Alle Mitwirkenden opfern ihre Ferien. Welche eine Theaterleidenschaft!

acht
Mir geht es in meinen Theater-Projekten darum, Themen und Stoffe zu finden, die alle Beteiligten zu ihrem Anliegen machen können. Wir erzählen in unserem Stück Geschichten aus Uri. Ich freue mich, dass Leute aus dieser Gegend ihre Geschichten spielen. Zum Beispiel die Geschichte von zwei jungen Liebenden, die sich verlieren und wiederfinden oder von der ganz gewöhnlichen demokratischen Abstimmung; ob der Landammann den Handel mit dem Teufel eingehen soll. Wir gestalten das Material, in dem wir wohnen, und so wird das Gewohnte ungewöhnlich. Die Realität verwandelt sich in Theater.
Es mischen sich persönliche Geschichten mit anderen Zeiten und anderen Welten, Erlebtes wird zu Theater und, so hoffe ich, „Tyyfelsbrigg“ zum Erlebnis.


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