I FEEL LIKE GOD AND I WISH I WAS

Theater Rostfrei und Werkstatt für Theater
PREMIERE 21. September 2011

Wake from your sleep
The drying of your tears
Today we escape, we escape
Breathe, keep breathing
Don't lose your nerve
Breathe, keep breathing
I can't do this alone.
(Radiohead, Exit Music)

Seen a shooting star tonight. And I thought of you.
(Bob Dylan)

main
BILDER ZUM PROJEKT

I FEEL LIKE GOD AND I WISH I WAS
von Christoph Fellmann (Text/Konzept) und Livio Andreina (Regie/Konzept)

Ein Projekt vom Theater Rostfrei und der Werkstatt für Theater
in Zusammenarbeit mit Südpol

I FEEL LIKE GOD AND I WISH I WAS
wurde mit dem Preis des Zentralschweizer Theatertextwettbewerbs 2011 ausgezeichnet.

Ein Schüler betritt bewaffnet seine Schule und erschiesst wahllos MitschülerInnen und Lehrer. Spätestens seit dem Amoklauf an der Columbine High School in Littleton (USA) von 1999 gehen solche School Shootings immer wieder durch die Medien. Entgegen der landläufigen Darstellung sind die Täter aber nicht Aussenseiter, die zuviel Videogames gespielt und die falsche Rockmusik gehört haben. Die Wahrheit ist viel weniger bequem, und darum geht es in diesem Stück. Darum, wozu junge, intelligente Menschen fähig sind, wenn sie das sind, was die Gesellschaft von ihnen verlangt: fokussiert auf ein Ziel. Zum Besten nämlich, und zum Schrecklichsten.

I FEEL LIKE GOD AND I WISH I WAS besteht aus Originaldokumenten, in denen sich die Attentäter selber äusserten, während sie ihre Tat vorbereiteten. Das Stück greift auf Tagebücher, Online-Chats, Schulaufsätze, selbstgedrehte Videos und auf Polizeiakten aus drei School Shootings. Es kombiniert sie zu einem vielstimmigen, auch widersprüchlichen Psychogramm des School Shooters, womit das Phänomen auch über den Einzelfall hinaus diskutier- und deutbar wird.

MITWIRKENDE

TEXT Christoph Fellmann

REGIE Livio Andreina

BÜHNE KOSTÜME AnnaMaria Glaudemans

TANZ UND BEWEGUNG Nicolas Turicchia

LICHTDESIGN Martin Brun

MUSIK KOMPOSITION UND LEITUNG Laura Livers, Daniel Stocker

SPIEL Dea Aaldijk, Apo Davoul, David Ben Graf, Hanna Jenny, Felizitas Küng, Laura Küng, Larissa Lang, Robin Oettli, Benjamin Pogonatos, Antonia Röllin.

GRAFIK Alan Romano

FOTO Georg Anderhub

Rahmenprogramm Nullstunden

Nullstunden – Das Phänomen der School Shootings

Die Brisanz des Themas drängt uns dazu, neben den fünf öffentlichen Vorstellungen von «I Feel Like God and I Wish I Was» ein Rahmenprogramm zu organisieren. Die «School Shootings» sollen auf geeignete Weise dokumentiert und diskutiert werden. Angesichts des vielschichtigen, facettenreichen Themas kann es nicht darum gehen, die Amokläufe zu erklären. Vielmehr gerade darum, die gängigen, wohl allzu einfachen Erklärungsmuster zu hinterfragen.

The Sparks that Bled

 

I accidentally touched my head
And noticed that I had been bleeding
For how long I didn’t know
What was this, I thought, that struck me?
What kind of weapons have they got?
The softest bullet ever shot.

(The Flaming Lips)

 

School Shooting

Das School Shooting ist eine besondere Form des Amoklaufs: In aller Regel schiessen dabei männliche Teenager zwischen 14 und 18 Jahren an ihrer eigenen Schule wahllos auf andere Schüler und auf Lehrer.  In den meisten Fällen töten sich die Schützen zuletzt selber. Die School Shootings werden nicht im Affekt verübt, sondern nach einer langen Planungsphase, in der viele Täter auch versteckte Hinweise auf die bevorstehende Tat geben. Bei diesen so genannten «Leakings» setzt auch die Prävention an.

School Shootings sind ein rund zwanzig Jahre altes Phänomen, auch wenn es bereits 1913 in Bremen oder 1927 in Bath einzelne Fälle gegeben hat. Etwas häufiger treten die Amokläufe an Schulen ab den 70er-Jahren auf, bevor in den frühen 90er-Jahren eine lange Reihe von School Shootings einsetzt, zunächst in den USA, später auch im Rest der Welt, vor allem aber in Europa.

Eine vom Internet-Lexikon Wikipedia geführte Liste von School Shootings führt allein für die USA seit 2000 nicht weniger als 64 Fälle (mit 114 Totesopfern) an – seit 2006 sind es jedes Jahr mehr.  In Europa kam es seit 2000 gemäss dieser Liste zu 11 School Shootings, davon 5 in Deutschland (etwa Erfurt 2002; Winnenenden 2009). Kein School Shooting gab es bisher in der Schweiz, es kommt aber regelmässig zu Andeutungen und konkreten Drohungen: Auch in der Zentralschweiz werden jedes Jahr mehrere Fälle abgeklärt. In aller Regel handelt es sich aber um «Trittbrettfahrer», die mit der Tat «nur» kokettieren.

Spätestens seit dem School Shooting durch Eric Harris und Dylan Klebold an der Columbine High School in Littleton (April 1999) ist das Phänomen in aller Munde. Die Bilder, die eine Überwachungskamera von der Schiesserei in der Caféteria des Schulhauses machte, gingen um die ganze Welt. Auf dem Internet wurde der Fall ausführlich dokumentiert, und gleich zwei Kinofilme – von Gus Van Sant und Michael Moore – bezogen sich auf den Fall. Vielen späteren Attentätern wurden Harris und Klebold zum Vorbild, gerade weil sie ihre Tat auch als Weg stilisiert hatten, um berühmt – und verfilmt – zu werden.

Wie bei allen School Shootings war man auch in Littleton schnell mit möglichen Ursachen zur Hand: Gewalttätige Videospiele oder die Rocksongs von Nine Inch Nails und Marilyn Manson mussten als Erklärung  ebenso herhalten wie der Medikamentenkonsum der Täter oder ihr angebliches Aussenseitertum. Schaut man aber genauer hin, lösen sich allzu einfache, in den Medien oft vorschnell kolportierte Erklärungsmuster bald einmal in Luft auf: School Shooter stammen meist aus intakten Mittelstandsfamilien, sind an ihrer Schule gut integriert und haben keine grossen Schulprobleme. Viele sind intelligent, kreativ und gesund.

Wie eine wissenschaftliche Studie im Jahr 2004 notierte, sind die Amokläufer zu 97 Prozent Männer und im Durchschnitt 15,6 Jahre alt. Ein typisch Täterprofil gibt es darüber hinaus kaum, abgesehen von gewissen psychologischen Mustern: Fachleute unterscheiden zwischen wahnhaft-schizophrenen, schamhaft-depressiven und narzisstisch-persönlichkeitsgestörten Tätern.