ZIMMERSTUND

Eine Alpen-Kammer-Oper
Werkstatt für Theater
PREMIERE 30. Oktober 2008

«Zimmerstund, si isch immer,
si hört nid uf,
si vergeiht nid,
si trinkt üses Läbe,
nid i eim Zug,
aber i vilne chline Schlück.»

main
BILDER ZUM PROJEKT

ZIMMERSTUND von Lukas Bärfuss (Libretto), Daniel Fueter (Musik) und Livio Andreina (Regie)

Eine Alpenkammer Oper der WERKSTATT FÜR THEATER
Ein Stück für Gesang, Jodel, Schauspiel und Kammerorchester, das von der Zimmerstunde in einem Panoramarestaurant erzählt, von jener eigenartigen Zeit zwischen Dienst und Dienst, die für nichts Gescheites reicht und von vier Menschen, die von der Zimmerstunde gefangen, sich selbst, ihren Wünschen, Träumen und Abgründen begegnen und – sie singen.

ZIMMERSTUND wurde im Rahmen des Wettbewerbs
„echos – Volkskultur für morgen“ von Pro Helvetia prämiert.

Mitwirkende

LIBTRETTO Lukas Bärfuss

REGIE / KONZEPT Livio Andreina

KOMPOSITION Daniel Fueter

BÜHNE KOSTÜME: Anna Maria Glaudemans

JODEL SCHAUSPIEL: Nadja Räss.

GESANG SCHAUSPIEL: Delia Mayer.

GESANG SCHAUSPIEL Christian Jenny.

SCHAUSPIEL Michael Wolf.

KLARINETTEN Daniel Häusler.

AKKORDEON Claudia Muff.

GEIGE Andreas Gabriel.

HACKBRETT Roland Küng.

TUBA Marc Unternährer.

LICHTDESIGN Martin Brun, fish&light.

CO-REPETITION Satoko Kato.

GRAFIK Thomas Küng.

FOTO Georg Anderhub

PRODUKTION Johannes Schmid-Kunz, AAA-Agentur.

Pressenotiz

In einem sind sich Simone Meier in der Süddeutschen Zeitung (20.11.2008) und Susanne Kübler im Tagesanzeiger (31.10.2008) einig: Zimmerstund von Lukas Bärfuss ist eine gelungene Inszenierung, in der die ungewöhnliche Mischung von traditioneller Volksmusik, Jazz und klassischer Oper Dissonanzen hervorbringt, die hervorragend mit dem Inhalt der Handlung übereinstimme. Beide loben das künstlerische Handwerk und die Kooperation zwischen Regisseur Livio Andreina, Komponist Daniel Fueter und dem Dramatiker Lukas Bärfuss. (Nachtkritik)

 

Zum Projekt

Wenn Livio Andreina und ich mit der „Alpen-Kammer-Opera“ unsere Zusammenarbeit fortsetzen, dann tun wir dies aus einem gemeinsamen Verständnis für das Unverständliche. Wir verstehen nicht, was mit unserer oralen Tradition passiert ist; wir verstehen nicht, wie unsere Sagenwelt wahlweise von den geistigen Landesverteidigern oder den Nonkonformisten in Beschlag genommen werden konnten. Aber wir wissen, dass wir dieser Dialektik nicht entrinnen werden. Sollten wir deshalb nicht besser einen Bogen um diesen Stoff machen?

Die Schweiz hat ihren Mythos in den Bereich der Geschichte und diesen in den Bereich des Mythos verlegt, und wir verstehen nicht, warum wir uns entweder mit der Ideologisierung unserer Vergangenheit abfinden oder aber geschichtslos leben sollten. Es kann nicht darum gehen, nach dem Ursprung zu suchen, oder nach dem Urtümlichen, nach dem Urchigen. Unser Ursprung, unsere Tradition wurde von Männern erfunden, und diese Männer hegten bestimmte Absichten. Wir haben keine Absichten, bloss die Lust, in diesem Sumpf herumzustochern, und zu sehen, was echt ist am Falschen und wo das Echte falsch.
(Lukas Bärfuss)

Zum Stück

Der Schauplatz ist ein Ausflugsrestaurant in den Bergen. Dort arbeiten vier Menschen, im Service, wie man es nennt, und solange sie im Dienst sind, Gäste begrüssen, Essen auftragen, einkassieren, Gläser polieren, solange sie also beschäftigt sind, solange geht es ihnen gut.
Aber jeden Tag, punkt vierzehn Uhr, da schlägt die Zimmerstunde, die unbezahlte Zeit bis halb sechs Uhr abends. Was will man machen zwischen zwei und fünf? Es reicht für nichts Gescheites.
Zuerst einmal flucht man leise. Flucht über die Berge, über die Seilbahn, die Gäste, aber vor allem flucht man über die Zeit, die verstreicht. Man trinkt ein Einerli, zum Einstandspreis. Man schaut hinaus und sieht nichts als Berge. Man sammelt Kirschen, nicht draussen in der Hostet, drinnen in der Beiz, wo an der Wand der Glücksspielautomat den Nachmittag zum existentiellen Abenteuer macht.
Unsere Menschen rettet nur eines, und das ist fünf Uhr abends. Dann beginnt die Arbeit wieder, man deckt die Tische, man hat zu tun, die Zeit verstreicht wieder unbemerkt, bis zum nächsten Nachmittag um halb zwei Uhr, wenn die neue Zimmerstunde ihr Recht einfordert, und alles, wie ein ewig wiederholtes Lied, von vorne beginnt und man fragt sich, ob vielleicht nicht das Leben selbst eine grosse, lange Zimmerstunde sei, Langweile, eingeklemmt zwischen der Selbstvergessenheit.